Längst nicht jedem ist der entscheidende Unterschied zwischen Dienstleistungen (wie eine Übersetzung) und Gütern völlig bewusst: Im Gegensatz zu Gütern kann man sich das Ergebnis einer Dienstleistung nicht vorher anschauen. Das mag profan klingen, aber tatsächlich wird immer wieder von uns Übersetzungsdienstleistern erwartet, Translation als standardisierte Ware anzubieten. Es gibt aber keine standardisierte Übersetzung! Und das ist gut so. Mit anderen Worten: Schrauben kann man sich im Vorfeld im Baumarkt anschauen, messen, vergleichen und anfassen. Das kann man in der Übersetzungswelt nur mit dem Dienstleister selbst und auch seinen internen Prozessen und der unternehmenseigenen Terminologie, nicht aber mit seiner Leistung in Sinne „Produkt“. Jetzt wird es spannend – und subjektiv.
Doch natürlich gibt es auch in unserer Welt objektive Kriterien: (Im Folgenden beziehe ich mich im Wesentlichen auf Übersetzungsunternehmen, nicht auf freiberufliche Übersetzer.)
Fachwissen des Übersetzungsdienstleisters ist zwingend erforderlich
Der Übersetzungsdienstleister sollte das erforderliche Fachgebiet im Portfolio haben. Eine profunde Kenntnis des Fachgebietes, in dem übersetzt wird, sowie der entsprechenden Terminologie, ist für ein gutes Übersetzungsergebnis zwingend erforderlich, denn am Ende muss die Qualität der Übersetzungen die Zielgruppe überzeugen. Sollte die Spezialisierung auf der Website nicht sofort erkenntlich sein, nachfragen! Die Auflistung von Kundennamen ist in dieser Frage wenig aussagekräftig. Es ist durchaus möglich, dass ein Übersetzungsdienstleister zwar für ein namhaftes Pharmaunternehmen arbeitet, aber ausschließlich für dessen Rechtsabteilung tätig ist.
Zertifizierte Transparenz bei Übersetzungen
Die unterschiedlichen Leistungsstufen sollten erkennbar sein. Der Übersetzungsdienstleister sollte möglichst über eine Zertifizierung nach ISO 9000 oder noch besser nach der Norm für Übersetzungsservices ISO 17100 zertifiziert sein. Letztere ist eine Prozessnorm, was bedeutet, dass die internen Prozesse des Unternehmens höchsten Anforderungen gerecht werden und das Unternehmen sehr prozessorientiert arbeitet. Für den Kunden bedeutet dies Effizienz, Berechenbarkeit und Transparenz bei der Übersetzung.
Richtige Unternehmensgröße
Auftraggeber (bzw. sein Auftragsvolumen) und Dienstleister sollten von der Größe her zusammenpassen. Wenn Ihr Auftragsvolumen so groß ist, dass es den Umsatz des Übersetzungsdienstleisters über Nacht verdreifacht, wird es zwangsläufig im Gebälk knirschen. Solche Wachstumsschritte des Auftragnehmers gehen selten schmerzfrei für den Auftraggeber vonstatten. Wenn Ihr Volumen nur 1% des Umsatzes Ihres Dienstleisters ausmacht, wird er sicherlich weiterhin gute Arbeit leisten, aber Ihre Sonderwünsche werden u. U. nicht mit der obersten Priorität behandelt. Im Idealfall macht man als Auftraggeber zwischen 10% und 30% des Umsatzes aus. Dann wird man hinreichend ernst genommen, ohne allzu große Wachstumsschmerzen zu verursachen.
Gemeinsam stark
Wie eingangs bereits erwähnt, geht es hier um Auswahlkriterien für Übersetzungsunternehmen. Einzelkämpfer tun sich ab einem gewissen Übersetzungsvolumen mit der Service-Erbringung schwer. Urlaub, Krankheit oder durch andere Auftraggeber geblockte Zeiten begrenzen das Einsatzspektrum einer Einzelperson – von unterschiedlichen Sprachen und Fachgebieten ganz zu schweigen. Dagegen kann ein Übersetzer-Team sich für Sie und Ihre Bedürfnisse immer richtig aufstellen, abstimmen, organisieren und im Ernstfall auch gegenseitig vertreten. So stellen Sie sicher, dass die Übersetzung Ihres Textes auch jederzeit von einer kompetenten Person bearbeitet werden kann. Die Befürchtung, dass man ständig mit neuen Ansprechpartnern in Kontakt steht, kann man bei gut organisierten Übersetzungsdienstleistern auch umgehen. Üblicherweise hat man auch in einem größeren Unternehmen einen festen Ansprechpartner (mit Vertretung), der sich regelmäßig um Ihre Übersetzungen kümmert und somit mit allen Feinheiten des Prozesses vertraut ist.
Professionelle Projektleitung
Häufig bekommt man in der Geschäftsanbahnung nur den Inhaber oder den Vertriebsmitarbeiter eines Übersetzungsunternehmens zu Gesicht. Das ist richtig so, schließlich wollen Sie den Hauptverantwortlichen kennenlernen. Doch die tägliche Zusammenarbeit erfolgt dann im Detail mit dem Projektleiter. Idealerweise hat man einen festen Ansprechpartner, der alle Belange Ihres Unternehmens ebenso kennt, wie die Eigenheiten der Unternehmenssprache und der angelieferten Dokumente. Auch diese Person im Vorfeld kennenzulernen, halte ich für einen echten Pluspunkt, denn auch hier muss die Chemie stimmen.
Der Mensch im Vordergrund
Last, but not least, schadet es auch nicht, den vermeintlich weiten Weg zum Standort des Übersetzungsdienstleisters zu machen. Hinter manch wuchtigem Internetauftritt verbirgt sich eine deutlich weniger wuchtige Organisationsstruktur. Direkt vor Ort erhält man einen deutlich besseren Eindruck von dem Unternehmen und seiner Philosophie. Zudem lernt man auch seine späteren Ansprechpartner persönlich kennen. Vor Ort bekommt man ein Gefühl für Team, Niveau und Arbeitsklima, was durchaus wesentlich ist, denn Übersetzungen ind verschiedene Sprachen werden von Menschen erbracht. Menschen, die verstehen müssen, welchen Zweck Ihre Texte in den jeweiligen Sprachen erfüllen sollen und wie Ihr Geschäft funktioniert. Genau aus diesem Grund ist der Dialog erforderlich, er ist der Grundstein einer funktionierenden Dienstleistung. Wenn also im Vorfeld Ziele und Kriterien für die Erfüllung eines Auftrags definiert sind, kann man hinterher das Ergebnis anschauen, messen und vergleichen – und ist hoffentlich vollauf mit der Qualität zufrieden.
Über den Autor
Udo Leinhäuser war bis Ende 2012 geschäftsführender Gesellschafter von Leinhäuser Language Services. Seitdem beschäftigt er sich intensiv mit Internationaler Suchmaschinenoptimierung und ist als freier Berater in der Übersetzungsbranche tätig.