Noch nie wurde so viel und so schnell in unterschiedliche Sprachen übersetzt wie heute. Der Einsatz von KI kann dabei helfen – sie gilt auch in der Internationalisierung als Wundermittel: schnell, skalierbar, kosteneffizient. Doch vieles, was DeepL und Co. formulieren oder übersetzen, klingt zwar gut – ist aber fachlich ungenau, rechtlich nicht belastbar oder schlicht nicht konform mit der Corporate Language eines Unternehmens. Die Folgen sind gravierend: Missverständnisse, Irritationen, Vertrauensverluste. Und am Ende kostet es – Reputation, Marktposition und Geld. Ein wichtiger Teil der Lösung: eine konsequent gepflegte, konsistente Terminologie.
Wie sich eine marken- und branchenspezifische Terminologie entwickeln lässt. Welche Vorteile präzise und konsistente Benennungen für die internationale Unternehmenskommunikation haben. Und in welchen Reporting-Bereichen der Gesetzgeber keinerlei Spielraum mehr für sprachliche Unschärfen lässt – darüber spricht die Geschäftsführerin und Mitinhaberin der Leinhäuser Language Services GmbH, Heike Leinhäuser, im Interview.
Heike, warum ist eine konsistente Terminologie gerade heute ein entscheidender Erfolgsfaktor für international agierende Unternehmen?
In unserer heutigen digitalen Welt kommunizieren Marken über so viele Kanäle wie nie. Eine konsistente Terminologie über alle Touchpoints hinweg sorgt gezielt dafür, dass Fachbegriffe korrekt und unmissverständlich verwendet und Markenbotschaften einheitlich kommuniziert werden.
In jeder Sprache. Eine einheitliche globale Kommunikation stärkt die Identität des Unternehmens. Und dadurch das Vertrauen, die Loyalität der Partner, Konsumentinnen und Konsumenten – und letztlich den Erfolg. Am Beispiel Online Marketing lässt sich das ganz gut veranschaulichen.
Ob auf der Website auf Social Media oder in einer App: Eine konsistente Terminologie und Sprache verhindert Unklarheiten, die schlimmstenfalls Conversions verringern und die Nutzererfahrung beeinträchtigen können.
Darüber hinaus schafft eine korrekte Fachterminologie rechtliche Absicherung – insbesondere in Geschäfts- und Nachhaltigkeitsberichten, in denen fachliche Präzision und sprachliche Eindeutigkeit zentrale Voraussetzungen für Compliance und regulatorische Konformität sind.
Wir halten jede Terminologie in einem spezifischen Sprachsystem fest und belegen diese durch Beispiele. Dadurch schaffen wir Struktur und Ordnung in der Unternehmenssprache.
Heike Leinhäuser, Geschäftsführerin Leinhäuser Language Services GmbH
Wie genau kategorisiert Leinhäuser die Terminologie von Unternehmen?
Wir strukturieren die Terminologie entlang von drei zentralen Bereichen, die für Unternehmen strategisch entscheidend sind.
Jeder dieser Bereiche verzweigt sich in spezifische Anwendungsfelder. Deshalb sprechen wir bei Leinhäuser auch von Sprachsystemen.
Das erste Sprachsystem ist das der Fachbegriffe: In der Fachterminologie bündeln wir die präzisen Benennungen für die spezifischen Technologien, Produkte oder die Finanzwelt sowie rechtliche Standards – in allen geforderten Sprachen.
Das zweite Sprachsystem umfasst die Corporate Language, also die sprachliche Identität eines Unternehmens. Hierzu gehört aber nicht nur der Claim. Vielmehr erfassen wir hier die Alltagsbegriffe, Organisations- und Positionsbezeichnungen, die das Unternehmen über die Jahre hinweg in der Praxis geprägt hat.
So sprechen die einen von der „Personalabteilung“, andere von „HR“ oder von „People and Culture“. Alle meinen dieselbe Abteilung, aber die Wirkung der gewählten Worte ist eine andere. Das dritte Sprachsystem entwickeln wir für SEO – also für die digitale Sichtbarkeit in Suchmaschinen.
Grundlage ist eine eigene Terminologie, die sich an den tatsächlichen Suchgewohnheiten der Zielgruppen orientiert. Diese Keywords unterscheiden sich häufig deutlich von den etablierten Fachbegriffen einer Branche.
Während in technischen Kreisen etwa vom „Schraubendreher“ die Rede ist, sucht der Großteil der Nutzer nach dem Begriff „Schraubenzieher“.
Genau solche realitätsnahen Begriffe fließen in die SEO-Terminologie ein – damit Inhalte nicht nur korrekt, sondern auch auffindbar sind.
Die Entscheidung darüber, ob wir von der „Personalabteilung“ oder von „People and Culture“ sprechen, ist eine Entscheidung über die Unternehmenskultur und die Corporate Language. In einem nächsten Schritt entwickeln wir diese zusammen mit den Kunden systematisch weiter – zu einem Styleguide.
Heike Leinhäuser, Geschäftsführerin Leinhäuser Language Services GmbH
Für welche Unternehmen hat Terminologie Relevanz? Nur für Konzerne oder auch für den Mittelstand?
Im Prinzip profitieren alle Unternehmen, unabhängig von ihrer Größe, von einer konsistenten Terminologie. Selbst Soloselbstständige können sich durch klare und präzise Kommunikation eindeutig positionieren.
Nicht nur fachlich, sondern mit einer eigenen Corporate Language auch hinsichtlich ihres Brandings. Ob One-Man-/One-Woman-Show oder Konzern: Die Unternehmensidentität wird auch durch Sprache vermittelt.
Was oft unterschätzt wird: Eine Fachterminologie hält Wissen fest – auch wenn Mitarbeitende das Unternehmen verlassen, bleibt dieses Wissen erhalten.
Unternehmen mit verschiedenen Abteilungen profitieren in jedem Fall von einheitlichen Terminologie-Datenbanken für eine standardisierte Sprache. Extern und intern.
In einer Art Wörterbuch halten wir fest, welche Begriffe und Synonyme genutzt werden. Hierfür erfassen wir das Vorhandene, sortieren die Begriffe sinnvoll und erweitern diese. Ob Marketing, PR-Agentur, HR oder Finance: jeder hat Zugriff auf diesen Online-Terminologie-Pool. So sichern wir die Qualität der Texte und Übersetzungen – effizient wie nie.
Heike Leinhäuser, Geschäftsführerin Leinhäuser Language Services GmbH
Inwiefern? An welchen Schnittstellen kommt es hier Eurer Erfahrung nach besonders häufig zu Problemen?
In der Praxis führt oft jede Abteilung ihre eigene Excel-Liste mit Fachbegriffen – selbst eng verzahnte Bereiche wie Marketing und Vertrieb. Genau hier setzen wir an.
Im Rahmen eines strukturierten Data-Mining-Prozesses konsolidieren wir diese fragmentierten Begriffswelten zu einem einheitlichen Glossar. Grundlage sind entweder vorhandene Listen oder freigegebene Unternehmensinhalte, aus denen wir relevante Fachtermini extrahieren.
Dieser Prozess der Terminologie-Extraktion erfolgt heute KI-gestützt und hocheffizient. Ergänzt durch präzise Übersetzungen entsteht so ein unternehmensspezifisches Sprachsystem – ein praxisorientiertes Wörterbuch mit länderspezifischen Vokabeln für die jeweiligen Märkte.
Dieses Glossar zwingt Übersetzerinnen und Übersetzer zur Konsistenz – intern beim Kunden oder extern bei Leinhäuser als Agentur oder weiteren Stakeholdern.
Kannst Du diesen Prozess genauer erklären?
Die Terminologie-Datenbank bzw. Termbank muss man sich wie ein Online-Tool vorstellen, das in den Übersetzungsprozess integriert ist und im Hintergrund mitläuft.
Texte und Übersetzungen werden laufend überprüft und dahingehend angepasst. Inkonsistente Terminologie und damit Fehler in der Übersetzung von Fachterminologie oder Corporate Language können wir so von vorneherein ausschließen. Es findet ein permanenter Terminologie-Check statt.
Über ein Web-Portal können alle Stakeholder jederzeit von überall auf diese Datenbank zugreifen.
Alle am Prozess Beteiligten arbeiten unisono mit derselben Terminologie: Das reduziert den Abstimmungsaufwand, minimiert Fehler und stärkt die sprachliche Identität von Unternehmen – international.
Heike Leinhäuser, Geschäftsführerin Leinhäuser Language Services GmbH
Wird ein Terminologie-Management in Unternehmen unterschätzt?
Absolut!
In der Praxis scheitert es oft an fehlenden Zuständigkeiten oder am Budget. Deshalb kursieren so viele unterschiedliche, teils widersprüchliche Begriffsammlungen in den verschiedenen Abteilungen.
Mitarbeitende verbringen viel Zeit damit, die korrekten Begriffe zu suchen.
Oft gelingt es uns erst, unsere Kundinnen und Kunden von einer Terminologie-Datenbank zu überzeugen, wenn Fehler juristische Folgen haben könnten.
Gibt es hierfür konkrete Beispiele?
Seit 2024 ist eine konsistente, standardisierte Terminologie rechtlich besonders relevant in den Bereichen Finanz- und Nachhaltigkeitsreporting.
Dies insbesondere durch die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) der EU. Unternehmen sind verpflichtet, nichtfinanzielle Informationen klar, vergleichbar und prüfbar offenzulegen. Ungenaue oder inkonsistente Begrifflichkeiten können dabei zu Prüfungsabweichungen, Reputationsrisiken oder sogar Bußgeldern führen.
Im Finanzsektor weiß man das schon länger. In diesem Bereich arbeiten wir bei Leinhäuser schon seit vielen Jahren mit entsprechen Sprachsystemen und ergänzenden Länderimplikationen.
Unsere Kunden sind hierdurch weltweit bei Überprüfungen gerüstet.
Ein von Leinhäuser erstelltes Glossar hilft dabei, in hoher Geschwindigkeit präzise und rechtssichere Dokumente zu erstellen – in jeder gewünschten Sprache.
Heike Leinhäuser, Geschäftsführerin Leinhäuser Language Services GmbH
Wird KI ein Terminologie-Management überflüssig machen?
Nein.
Durch KI hat die Terminologie wieder deutlich an Bedeutung gewonnen. Es wird an zu vielen Stellen zu viel Content generiert. Auch mithilfe von KI.
Eine Überprüfung hinsichtlich begrifflicher Konsistenz findet kaum statt. Insbesondere uneinheitliche, KI-generierte Ausgangstexte erschweren die Übertragung in andere Sprachen. Einheitlichkeit, ein klarer Kontextbezug und dadurch Verlässlichkeit müssen aber gewährleistet bleiben.
Zur Veranschaulichung nutze ich gern das Bild des Terminologie-Glossars als Skelett für sämtliche Inhalte, die ein Unternehmen erstellt. Wenn Content Teams weltweit in Echtzeit auf ein solches sprachliches Skelett mit klar definierter Fachterminologie und Corporate Language zugreifen können, wird das zum Gamechanger der Internationalisierung.
Einheitliche Sprachsysteme schaffen die Basis für konsistente Markenführung, beschleunigen Markteintritte – und helfen Unternehmen, sich juristisch abzusichern.