Die Erschließung neuer Märkte zählt zu den zentralen Wachstumsfaktoren. Doch reicht es wirklich, die Unternehmenswebsite ins Englische zu übersetzen? „Nein“, sagt Heike Leinhäuser, Geschäftsführerin der Leinhäuser Language Services GmbH. Im Interview spricht sie über die größten Missverständnisse bei der Internationalisierung, die Erfolgsfaktoren der Marktanpassung – und warum ein gelingendes internationales Marketing immer mit der richtigen Denkweise beginnt.

Heike, was heißt es konkret, wenn Unternehmen von Internationalisierung sprechen? Was wollen sie erreichen?

Die meisten Unternehmen sprechen nicht von Internationalisierung. Sie sprechen von konkreten Zielen. Zum Beispiel wollen sie Produkte in anderen Märkten bewerben und verkaufen. Wir bei Leinhäuser nutzen ganz bewusst den Begriff der Internationalisierung. Damit wollen wir zeigen, dass es mit der Übersetzung einer Website ins Englische nicht getan ist, um international erfolgreich zu sein. Vielmehr benötigen Unternehmen eine umfassende Anpassung an die jeweiligen Zielmärkte, nicht an die Sprache.

Internationalisierung bedeutet für uns bei Leinhäuser die Anpassung von Marketingtexten an die jeweiligen Märkte, nicht an die Sprachen. Das umfasst neben Text auch die Bildsprache – also Visuals für Kampagnen – und ‚international SEO‘.

Kannst du das etwas genauer erklären? Was bedeutet „Anpassung an die Zielmärkte“?

In vielen Märkten werden unterschiedliche Sprachen gesprochen. Naheliegendstes Beispiel ist die Schweiz: drei offizielle Landessprachen – Deutsch, Französisch, Italienisch – sowie zahlreiche Dialekte. Wer hier lediglich ins Französische übersetzt, hat den Markt noch längst nicht erschlossen. Noch komplexer ist Indien mit allein 22 offiziellen Sprachen. Entscheidend bei der Internationalisierung ist zudem das Umfeld, indem sich ein Unternehmen global positionieren möchte: Im B2B reicht es häufig Marketingtexte in die offiziellen Amtssprachen zu übertragen. Im B2C sind die Anforderungen deutlich anspruchsvoller. Mindestens genauso wichtig wie die einzelnen Sprachvarianten sind kulturelle Aspekte, die von Zielmarkt zu Zielmarkt variieren. Wichtig ist zu wissen, wie der Zielmarkt „tickt“.

Was sind die konkreten Anforderungen im B2C und welche Lösungen hierfür bietet ihr bei Leinhäuser?

Im B2C richtet sich die Kommunikation direkt an die Endkundinnen und Endkunden. Die entscheiden oft emotional. Um sie also auch auf der Gefühlsebene zu erreichen, sprechen wir sie in ihrer Alltagssprache an. Stichwort: Lokalisierung. Entscheidend hierbei sind die Marktgegebenheiten vor Ort: Landessprache, kulturelle Faktoren, aber auch das Kauf- und Konsumverhalten. Je nach Textumfang unterstützen wir unsere Kundinnen und Kunden hierbei entweder mit einer gezielten Adaption oder einer wirkungsstarken Transcreation.

Ein Produkt muss in England anders beworben werden als in Spanien, und nochmal anders in Middle East oder skandinavischen Märkten. Ein britischer Kreativdesigner achtet bei der Gestaltung von Kampagnen-Visuals und -Texten nicht immer auf kulturelle oder klimatische Unterschiede. Allein die Tatsache, dass es in Spanien nicht so häufig regnet wie in England, oder dass dort Olivenöl anstatt Butter verzehrt wird, kann ein Problem darstellen. Das britische Original funktioniert dann in Spanien nicht.

Kannst du die Unterschiede zwischen Adaption und Transcreation kurz erklären?

Der Unterschied liegt in der Tiefe und Zielrichtung der Anpassung. Bei der Adaption bleibt der Text nah am Original: Tonalität, Grundstruktur und Kernaussagen werden beibehalten. Die Anpassungen betreffen überwiegend sprachliche Feinheiten, kulturelle Besonderheiten, aber auch rechtliche Vorgaben. Ziel ist es, die Erwartungen der Zielgruppen an Inhalt und Lesefluss zu erfüllen, sie „abzuholen“. Typische Beispiele hierfür sind Unternehmensvorstellungen auf der Website oder in Imagebroschüren. Bei der Transcreation hingegen dient uns der Originaltext lediglich als Impuls: Claims oder Produktnamen werden nicht übersetzt, sondern neu entwickelt – passgenau für den jeweiligen Markt. Wortspiele werden länderspezifisch angepasst, Texte anhand der Visuals oft komplett neu entwickelt. Hier ist Kreativität gefragt.

Der Erfolg internationaler Kampagnen liegt darin, sie von Anfang an lokalisierbar aufzubauen. Deshalb denken wir bei Leinhäuser nicht in Texten oder Bildern, sondern in Märkten.

 

Internationalisierung

Welche Risiken siehst du bei einer unzureichenden Anpassung an den Zielmarkt?

Zum einen entstehen hohe Kosten, weil Kampagnen im Zweifel komplett neu aufgesetzt werden müssen. Zum anderen drohen Imageschäden, weil kulturelle Besonderheiten nicht berücksichtigt werden. Marken verlieren das Vertrauen im Zielmarkt. Deshalb führen wir bei Leinhäuser auf Anfrage Market Insights und Sanity Checks durch, um anstößige oder missverständliche Formulierungen von vornherein auszuschließen.

Welche Rolle spielt internationales SEO bei der Internationalisierung?

Internationales SEO spielt eine sehr große Rolle. Deshalb klären wir mit unseren Kundinnen und Kunden so früh wie möglich, ob und welche SEO-Anpassungen zur Auffindbarkeit im Internet erforderlich sind. Diese sind ja auch immer mit einem ganz spezifischen Wording verbunden. Wenn wir das von Anfang an berücksichtigen, spart das Unternehmen Zeit und Kosten. Erfolgt die Optimierung der Texte für Suchmaschinen, Google AI Overviews oder KI-Assistenzen wie ChatGPT oder Perplexity erst im Nachhinein, kann das das ganze Projekt zurückwerfen.

Was müssen Unternehmen beachten, um Botschaften konsistent in die jeweiligen Märkte zu transportieren. Hast du einen Tipp?

Ja. Löst euch gedanklich vom Heimatmarkt. Stellt euch die Frage: „Was erwartet dieser Markt von mir?“ Konkret heißt das: Möchte sich beispielsweise ein deutsches mittelständisches Unternehmen explizit in England positionieren, dann sollte es britisches Englisch verwenden. Möchte es aber die ganze Welt ansprechen, dann raten wir von einer Übersetzung ins britische Englisch ab. Sinnvoller ist die Adaption der deutschen Originaltexte ins internationale Englisch, mit amerikanischer Schreibweise und neutraler Tonalität. Und noch einmal: Im B2C-Geschäft geht am Ende nichts über die Landessprache.

Wie gelingt euch das Roll-out internationaler Kampagnen zeitgleich auf allen definierten Märkten?

Durch klar definierte Approval-Management-Prozesse. In enger Abstimmung mit den jeweiligen Country Representatives rollen wir unsere Approval-Phasen für die Feedback-Schleifen zeitgleich aus. Das Zeitlimit hierfür beträgt maximal drei Tage. Insgesamt liegt die Durchlaufzeit bei Internationalisierungs-Kampagnen bei circa einer Woche.

An dem Tag, an dem wir die Originale erhalten, gehen die Texte zur Adaption an ausgewählte Sprachspezialistinnen und -spezialisten, die die jeweilige Sprache optimal abdecken. Sie alle haben einen linguistischen Hintergrund, sind Muttersprachlerinnen und Muttersprachler und kennen die Marktgegebenheiten. So sichern wir Qualität bei hohem Tempo.

Auf den Punkt gebracht: Welche Missverständnisse begegnen euch im Agenturalltag, wenn es um Internationalisierung geht?

Das größte Missverständnis gerade im B2C: Eine Übersetzung ins Englische reicht aus. Das tut sie nicht. Im B2C müssen wir Menschen erreichen. Dies funktioniert am besten in der Muttersprache. Zweites Missverständnis: Unternehmen denken meist in Sprachen und nicht in Märkten. Und schließlich: Eine Übersetzungsagentur übersetzt wortwörtlich. Das ist nicht zielführend. Als ein führendes Unternehmen für strategische Kommunikation sprechen wir bei Leinhäuser deshalb auch nicht von Übersetzung, sondern von Adaption oder Transcreation.

Wann ist Internationalisierung erfolgreich?

Wir waren dann erfolgreich, wenn die Country Representatives vor Ort die Texte ohne weitere Anpassungen absegnen, weil sie sich wie ein Original aus dem eigenen Land lesen. Und wenn Text und Visuals einfach zusammenpassen.

Mein Appell an Unternehmen, die sich in neuen Märkten positionieren wollen: Holt uns so früh wie möglich mit ins Boot und brieft uns als Sprachdienstleister genauso, wie ihr eure Texterinnen und Texter brieft. Schließlich: Gebt uns Feedback, wie die Kampagnen gelaufen sind, damit wir an Erfolge anknüpfen können.

Welche Entwicklungen siehst du aktuell im Bereich der Internationalisierung?

Zunehmend mehr Unternehmen glauben, Internationalisierung ließe sich im Alleingang bewältigen – und reduzieren sie dabei auf eine reine Übersetzung. Genau darin liegt der Trugschluss: Internationalisierung ist weit mehr als Sprache. Sie erfordert eine strategische Anpassung an Märkte und Menschen. Genau hierbei unterstützen wir unsere Kundinnen und Kunden.

Redaktionsteam Leinhäuser

Sprachen sind unsere Leidenschaft. Deswegen nehmen wir regelmäßig auch aktuelle Entwicklungen und neue Tools unter die Lupe, die sich auf die Welt der Kommunikation auswirken. In verschiedenen Blogbeiträgen teilen unsere internen Expertinnen und Experten ihr Wissen und ihre Erkenntnisse zu spezifischen Bereichen unseres Portfolios und beleuchten wichtige Zukunftstrends für unsere Branche. Von kreativem Schreiben über Nachhaltigkeitsberichte bis hin zur Programmierung – jedes Mitglied unseres Teams zeichnet sich durch ein einzigartiges Profil aus und trägt so einem vielfältigen Gesamtbild bei.