Mein Auftrag: Material für Blogbeiträge zusammenzutragen.
„Wir müssen wieder mal was über AudioVideo schreiben“,
sagte meine Kollegin.
„Über das hohe Tempo. Oder über die komplexen Projekte! Da fällt dir doch sicher was ein“.
Nichts lieber als das! Das Thema liegt auf der Hand: Untertitel. Wir konsumieren tagtäglich Filme und Videos, und dann passiert es manchmal, dass wir danach gar nicht mehr bewusst wahrnehmen, dass das Video vielleicht in einer völlig anderen Sprache verfasst war. Für diese „Magie“ hat unter Umständen eine gute Übersetzung in Form von guten Untertiteln gesorgt.
Untertitelung ist dann gut, wenn man sie nicht bemerkt
Untertitel sind mittlerweile einfach überall. Wenn sie gut sind, bemerkt man die Untertitelung gar nicht, stellt aber verblüfft fest, dass man trotz lückenhafter Aufmerksamkeit, fehlender Sprachkenntnisse oder nicht vorhandenem Ton dennoch alles mitbekommen hat. Wenn sie schlecht sind, ist man einfach froh, wenn es vorbei ist, mitbekommen hat man wenig bis nichts.
Untertitel sind den großen Producern meist nur eine Randbemerkung wert, und doch sind sie ein enormer Hebel in der Rezeption und Reichweite eines Videos und machen einen echten Unterschied. Die Textzeilen können dafür sorgen, dass Sprachbarrieren schlichtweg bedeutungslos werden, oder aber das Zuschauererlebnis komplett ruinieren.
Was sind Untertitelungen eigentlich genau?
Die Übertragung in eine andere Sprache von verbalen Aussagen in filmischen Medien in Form von ein- oder zweizeiligen Texten, präsentiert auf Leinwand oder Bildschirm und synchron zur Originalaussage.
Diese prächtige Definition stammt von Henrik Gottlieb, einem dänischen Übersetzungswissenschaftler und Untertitler. Obgleich sie schon einige Jahre alt ist, mangelt es ihr nicht an Aktualität, ergänzen könnte man lediglich, dass Untertitelung durchaus nicht nur als Übersetzung in anderen Sprachen stattfinden muss, sondern auch originalsprachig in der Ausgangssprache sein kann, also intralingual.
Zunächst bezieht sich dieser Zusatz auf die Untertitelung für Hörgeschädigte, kurz SDH. Hier kommen zur Verschriftlichung des eigentlichen Dialogs auch noch deskriptive Elemente hinzu.
Von intralingualen Untertiteln profitieren wir aber zum Beispiel auch in den sozialen Medien, in denen wir Videos zunehmend ohne Ton konsumieren. Was vorher gehört wurde, muss nun im Film gelesen werden – bei unveränderten Rahmenbedingungen.
Was sich einfach anhört, ist in der Umsetzung alles andere als trivial. Auch wenn die Sprache länger, komplexer, aufwendiger werden mag, das Video, auf das sie passen muss, bleibt in seiner Darstellung unverändert.
Wie sieht der Inhalt des perfekten Untertitels aus?
Darüber, wie Untertitel nun genau aussehen sollen, ist man sich in Fachkreisen erfreulich einig. Herr Gottlieb impliziert bereits: Untertitel spielen sich optimalerweise auf einer oder zwei Zeilen ab, also besser nicht auf drei oder vier, und sie sind synchron zur Tonspur. Wer das Gegenteil schon erlebt hat, wird mir zustimmen: Es ist nett, wenn der Untertitel dann lesbar ist, wenn die Person spricht, und nicht fünf Sekunden davor oder danach.
Und woher wissen wir, was optimal ist? Von der Sprachwissenschaft, und zunehmend auch aus der Didaktik. Zahlreichen wissenschaftlichen Arbeiten und Versuchsreihen zur Qualität von Untertiteln verdanken wir die Tatsache, dass wir heute sehr genau wissen, nach welchen Kriterien Untertitel in Filmen gestaltet sein müssen, um ihre Wirkung voll zu entfalten.
Lesbar muss die Untertitelung natürlich sein, und zwar, bevor die Textzeilen wieder aus dem Bild verschwinden. Inhalte sollten nicht ausgelassen oder vorweggenommen werden, und sprachlich korrekt und wohlformuliert sollten sie auch sein. Auch die Position und die Nähe zum Bildschirmrand spielen eine Rolle, ebenso wie die optische Gestaltung. Wenn Sie schon einmal einen Winterfilm mit weißen Untertiteln ohne schwarze Kontur gesehen haben, wissen Sie sicherlich, was ich meine.
Untertitelung meets Sprachwissenschaft
Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten, VoD-Anbieter, Sprachdienstleister oder Freelancer orientieren sich heute im Bestfall an den Erkenntnissen der Sprachwissenschaft und untertiteln in weiten Teilen uniform.
Parameter wie Zeichen pro Zeile, Standzeit im Video oder die Art der Segmentierung des Textes folgen dabei genauen Regeln. Auch die Anzahl der Zeichen, die ein menschliches Gehirn pro Sekunde erfassen kann, fließt in die Qualitätsstandards der Untertitelproduzenten mit ein. Und damit das menschliche Auge den Übergang von einem Untertitel zum nächsten gut wahrnimmt, wird selbst das, was zwischen zwei Untertiteln passiert, nicht dem Zufall überlassen.
Jedes irritierende Element, und sei es „nur“ ein Tippfehler oder ein Untertitel, der zwei Frames zu lang über einen Szenenwechsel hinwegsteht, bindet die Aufmerksamkeit des Zuschauers und lenkt vom Bildgeschehen ab.
Untertitelung von Filmen ist eine hochspannende Verflechtung von Kunst und Handwerk. Kunst, weil sprachliche Kreativität hilfreich ist, wenn man fünfzehn Sekunden gesprochene Sprache auf zwei kurze Zeilen einpassen muss – in einer neuen Zielsprache, in der es mitunter eines kleinen Romans bedarf, um eine Aussage zu übermitteln, die, anders als in der Fremdsprache, in der Originalsprache vielleicht nur zwei Silben hat.
Ganz bodenständige Fertigkeiten sind im Umgang mit den größtenteils recht mächtigen Untertiteltools und den technischen Parametern gefragt, die im Film eingehalten werden müssen. Das Untertiteln an sich, also das Segmentieren und Zeitstempeln von Text – wir nennen es „Spotting“ – ist ein solides Handwerk, das erlernt und geübt sein will.
Die Übersetzung von Untertiteln kommt als zusätzliche Komponente hinzu. Hier sind weitere Spezialisten involviert, doch im Idealfall stecken alle Beteiligten ihre Köpfe eng zusammen, denn wirklich trennbar ist bei der fremdsprachigen Untertitelung eines Videos ohnehin nichts.
Die Untertitelszene wie auch das Publikum stellen aktuell fest: Die Gewichtung von Kunst und Handwerk ist nicht immer gleich, und schlechte Untertitel in Filmen oder Serien fallen durchaus auf. Die englischen closed captions der Netflix-Serie Squid Game haben mediales Aufsehen erregt, weil sie die Informationen der koreanischen Originaldialoge teilweise sinnentfremdet oder unvollständig wiedergeben.
Die kulturelle Einbettung und die Charakterzeichnung werden dadurch stark verändert. Zuschauern, die sowohl der Ausgangs- als auch der Zielsprache mächtig sind, entgehen derlei Details nicht, und denjenigen, die auf die lokalisierte Fassung angewiesen sind, werden entscheidende Feinheiten der Originalfassung vorenthalten. Sie erleben im Extremfall eine völlig andere Geschichte.
Sind doch nur Untertitel – was kann schon schiefgehen?
Schlechte Untertitel können nicht nur in der Unterhaltungsbranche fatale Folgen haben, sondern auch bei anderen Arten von Filmmaterial, wie zum Beispiel bei Corporate-Videos. Stellen Sie sich vor, Sie arbeiten in einem großen Konzern und finden sich in der Anbahnung einer neuen, heiß ersehnten Unternehmensinitiative wieder. Im Vorfeld hat sich Ihre Kommunikationsabteilung die Finger wundgeschrieben und die Kolleginnen und Kollegen mit Rundmails, Artikeln und Interviews auf das Thema eingestimmt.
Nun naht der Höhepunkt des Roll-outs: Der CEO wird live sprechen, die Rede wird aufgezeichnet und anschließend untertitelt, damit alle Märkte sie sehen können. Beim Prüfen der Untertitel stellen Sie jedoch entsetzt fest: In jeder Sprache wird die Initiative anders genannt, teilweise hat sie sogar innerhalb einer Sprache verschiedene Buchstabierungen.
Als der CEO gegen Ende auf die Uhr schaut und ein wenig schneller spricht, passen die Untertitel plötzlich gar nicht mehr zu dem, was er sagt. Manchmal fehlen komplette Satzteile und Informationen. Und überhaupt – eigentlich ist Ihr CEO für seine eleganten Themenüberleitungen bekannt, doch davon findet sich in den abgebildeten Untertiteln nichts wieder!
Untertitel sind nicht gleich Untertitel
Mit dieser und ähnlichen Problematiken haben wir regelmäßig zu tun. Bei der Beseitigung geht es oft turbulent zu, denn hier sind drei Welten ungebremst aufeinandergeprallt. Die Videoproduzenten setzen ihr Konzept um, Ihr CEO folgt seinem Skript (oder auch nicht!), das die Kommunikationsabteilung mühsam in Abstimmung mit den Artikeln und Interviews kreiert hat, und die Untertitelungs- und Übersetzungsteams tun das, was sie gelernt haben – sie erstellen Untertitel, die zum Video passen und lesbar sind. Was nicht passt, wird mit vollem Einsatz passend gemacht.
Füllwörter werden entfernt, übermäßig gedehnte Sätze komprimiert, Grammatikfehler werden korrigiert. Spricht die Referentin oder der Referent schnell, ist mehr Kürzung nötig.
Spricht die Person langsam, beginnen die Zuschauer unbewusst, Untertitel mit zu langen Standzeiten doppelt zu lesen. Also werden die Untertitel fragmentiert, damit das nicht passiert.
Leider wurde hier etwas außer Acht gelassen: Im Konzernumfeld spielen Sprache und Terminologie eine herausragende Rolle. So herausragend, dass die Prioritäten aller Beteiligten neu gemischt werden müssen.
Die emotionale Botschaft steht im Vordergrund
Die „klassische“ Untertitelung für Filme, Serien und auch im Marketingbereich setzt eine gewisse Freiheit für Umformulierungen oder Kürzungen voraus.
Freilich hat auch hier sprachliche Korrektheit eine hohe Priorität, einhergehend mit kulturellen Gegebenheiten und Vorgaben, die nicht 1:1 übernommen werden können und einer Lokalisierung bedürfen. Die emotionale Botschaft steht jedoch im Vordergrund, denn sie definiert das Zuschauererlebnis.
Sonderfall Corporate-Filme
Im Corporate-Umfeld ist das sprachliche Gerüst starrer, gesprochene Aussagen von wichtigen Persönlichkeiten eines Unternehmens, wie denen Ihres CEOs, sollen möglichst wortwörtlich wiedergegeben werden. Das kann so weit gehen, dass selbst Füllwörter und Versprecher aus Authentizitätsgründen untertitelt werden sollen.
Hier hat das Einhalten eines gewissen Wordings eine hohe Gewichtung, die Konsistenz zu Artikeln, schriftlichen Interviews oder anderen Referenztexten muss für das Verständnis gewahrt werden. Die Untertitelung stellt diese Entwicklung in Kombination mit nicht-muttersprachlichen oder ungeübten Referentinnen und Referenten vor ganz neue Herausforderungen, und wir sehen die Nachfrage in diesem Bereich insbesondere seit der Corona-Pandemie sprungartig ansteigen.
Mit ihr wächst eine neue Unterdisziplin der Untertitelung heran, die das gewohnt hohe Tempo der Filmproduktion mit Anforderungen der Vorstands- und Konzernkommunikation verbindet.
Es ist eine enge Abstimmung zwischen Videoproduktion, Corporate Language Ownern, Communications und PR, Redenschreiberinnen und -schreibern sowie Übersetzungs- und Untertitelungsteams notwendig.
Denn nur wenn alle Hand in Hand arbeiten, können die teils vielleicht sogar konträren Anforderungen aller Beteiligten zufriedenstellend erfüllt werden.
Ganz egal, ob sie einen emotional aufgeladenen Streit zwischen zwei Filmcharakteren wiedergeben, ob sie in einer Dokumentation die Flora des Banff-Nationalpark beschreiben, in einem Marketingvideo ein innovatives neues Produkt anpreisen oder die Rede eines Konzern-CEOs in mehrere Märkte transportieren: Fachkundig erstellt fügen sich Untertitel so nahtlos ins Video ein, dass man sie und die damit verbundene Anstrengung kaum wahrnimmt. Sie sind herrlich vielfältig, wenn man sie einzusetzen weiß, und sie können einem Video ausgesprochen guttun.
Eine Dozentin an meiner Hochschule quittierte eine meiner eingereichten Untertitel-Hausarbeiten (die aus heutiger Sicht reichlich in die Hose gegangen war) mit dem herrlich erdenden Kommentar, der mir in allzu heißgekochten Situationen immer in den Sinn kommt:
„Wir sind hier nicht in Hollywood!“
Aus geografischer Sicht werde ich das nicht anfechten, doch mit der zunehmend temporeichen und schwindelerregend komplexen Projektlage auf unseren Schreibtischen stellen sich im Alltag auch gewisse dramaturgische Elemente ein, die unsere Arbeit am Film noch interessanter, noch aufregender und noch vielfältiger machen. In ein paar Jahren wird sich die Untertitelung abermals mit gänzlich neuen Dynamiken auseinandersetzen, und ich freue mich schon darauf, zu sehen, wie mühelos „unser Baby“ sich dieser Wandlung anpassen wird.
Gerne steht Ihnen unser Audio-Video-Team für weitere Fragen zur Verfügung.
Redaktionsteam Leinhäuser
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