Wie alles begann
Angefangen hat alles mit einem Telefonanruf. Meine Schwester erwischte mich zufällig zu Hause (Handys hatte man damals noch nicht) und meinte:
Ich möchte mich gerne als Übersetzerin selbständig machen. Hättest Du Lust mitzumachen?
Das wäre nicht ganz so langweilig wie alleine zu übersetzen und wir könnten uns gegenseitig Korrekturlesen. Zum damaligen Zeitpunkt war mir weder das Understatement der Frage noch die Tragweite meiner Antwort bewusst. Ich hatte gerade einmal mein Vordiplom als Übersetzer in der Tasche und ein paar Semester Dolmetschen auf dem Buckel. Meine Schwester war seit 7 Jahren in München beim Sprachendienst der Siemens AG angestellt und somit so etwas wie ein Vollprofi! Von gegenseitigem Korrekturlesen war zu diesem Augenblick nur bedingt und von Langeweile nie wieder die Rede.
Ich machte im Schnelldurchgang meinen Abschluss als Dipl.-Übersetzer und war ein Jahr später in München. Teil des Konzepts meiner Schwester war, dass das „gegenseitige Korrekturlesen“ nicht mehr bei ihr zu Hause am Küchentisch stattfinden sollte, sondern in einem echten Büro.
So mieteten wir uns in Sauerlach ein Büro, das für uns beide viel zu groß war. Ein Sachverhalt, der sich in der weiteren Entwicklung des Unternehmens noch öfter wiederholen sollte. Als ich die Räume zum ersten Mal sah, fragte ich mich, wozu wir so große Räumlichkeiten brauchen.
Früher war da mal eine Filiale der Kreissparkasse drin. Im hinteren Raum stellten wir ausgemusterte Möbel auf – einen Schrank und ein Bett. Bis heute halten sich Gerüchte, dass ich auch während der Dienstzeit in diesem Bett gesichtet wurde. Fakt hingegen ist, dass ich den Raum des Öfteren zum Wachsen meines Snowboards benutzte.
Die ersten Jahre
Ganz sachlich betrachtet waren wir in den ersten Jahren mehr ein Freelancer Team, das andere Freelancer unterbeauftragte, als ein echtes Übersetzungsunternehmen – den Begriff Übersetzungsagentur mochten wir noch nie. Er wurde auch nie unserer Arbeitsweise gerecht.
De facto hatten wir noch nicht einmal die theoretische Möglichkeit eine „Agentur“ zu sein. Der Grund hierfür war in erster Linie in unserer Preisstruktur im Verkauf und somit auch im Einkauf zu sehen, weil die Freelancer, die wir uns leisten konnten, in aller Regel blutige Anfänger waren. Trotzdem hatten wir einen Qualitätsmaßstab, den wir bei der Lieferung nicht unterschreiten wollten – und der hieß Heike Leinhäuser.
Die Absprache mit unseren Kunden war immer dergestalt, dass wir einsetzen konnten, wen wir wollten, so lange die abgelieferte Qualität der meiner Schwester entsprach. Eingeweihte werden wissen, was es bedeutet, einen 100-Seiten Text eines Anfängers auf das Niveau eines Profis zu hieven. Sicher, die Schlagzahl war damals vielleicht etwas niedriger, aber dafür war auch schon jede An- oder Ablieferung von Texten ein Abenteuer. Wer damals eine Datei von A nach B bringen wollte, musste Disketten benutzen, und wer technisch ganz weit vorne war, hatte ein Modem. Wir hatten selbstverständlich ein Modem!
Das ersparte uns zwar den einen oder anderen Postweg, aber hin und wieder mussten wir auch technischen Support beim Einrichten und Bedienen des Modems leisten, teilweise auch ganz normalen PC-Support. Dieser ging von einfachen WinZip-Schulungen bis hin zum Bekämpfen etwaiger Virenattacken.
Makroviren waren damals eine ständige Bedrohung, aber als mich eines Tages der Anruf einer französischen Freelancerin ereilte, sie könne mir die fertige Übersetzung nicht liefern, weil Ihr PC eine infizierte Tastatur habe, war ich in höchster Alarmbereitschaft. Der Abgabetermin stand kurz bevor, also fuhr ich gleich nach München, um die besagte Tastatur in Augenschein zu nehmen. In meiner Tasche war das komplette McAfee Sortiment, aber was ich dann zu sehen bekam, ließ sich mit McAfee nicht beheben. Die Kollegin schaltete den Computer ein, ließ aber die Hand am Aus-Schalter. Als dann nämlich bei dem schwarzen Boot-Bildschirm die Meldung kam „Keyboard detected“, schaltete sie panisch den Rechner wieder ab und meinte: „Siehst Du, Keyboard defected. Das blöde Ding ist infiziert.“ Ob das jetzt sprachlich Sinn machte oder nicht, ich habe den McAfee in der Tasche gelassen und einen Optiker empfohlen. Der Rat wurde dankend angenommen und auch dieser Auftrag wurde pünktlich geliefert.
Wachstum
Vor diesem Hintergrund wird klar, dass Wachstum ein Kraftakt ist. Trotzdem war die erste Stelle, die wir in unserem „Unternehmen“ schufen, keine im Projektmanagement oder gar in der Übersetzung, sondern in der Administration. Die vielen Wochenenden, die wir mit Rechnungserstellung, Zahlungseingang überprüfen etc. verbrachten, wollten wir nicht abschaffen, sondern sinnvoller im Sinne des Wachstums verbringen. Oder anders gesagt: wir hatten einfach keine Lust mehr dazu.
Das Ganze ließe sich rückblickend hervorragend als strategisch weise Entscheidung verkaufen, aber es war einfach unser Bauch, der uns sagte: Stopp! Keinen Bock mehr! Und wie so oft auch noch danach, war unser Bauch ein weiser Ratgeber, der uns immer wieder Dinge einflüsterte, die uns in der Entwicklung unseres Unternehmens voranbrachten. (Die Kollegin ist übrigens heute noch im Unternehmen.)
Und wahrscheinlich war es auch unser Bauch, der uns die Idee gab, Praktikanten bei uns aufzunehmen. War es Glück oder Menschenkenntnis? Ich weiß es nicht, aber eines weiß ich ganz sicher: Ohne die vielen teilweise extrem talentierten und motivierten Praktikantinnen und Praktikanten wäre Leinhäuser nicht das Unternehmen, das es heute ist.
Es gab Phasen in unserem Unternehmen, in denen nahezu 100 % unserer Mitarbeiter ex-Praktikanten waren. Das ist zugegebenermaßen schon eine Weile her, aber noch heute werden die talentiertesten jungen Leute bei Leinhäuser übernommen und tragen regelmäßig zur Erneuerung der Denkmuster, der DNA und des Serviceportfolios bei.
London
Im Jahr 2000 war es dann so weit. Wir eröffneten Leinhäuser & Partner Ltd. in London. Warum? Rückblickend ist das schwer zu erklären. Damals hatten wir das Gefühl, dass es ein unausweichlicher Schritt in unserer Wachstumsstrategie war. Noch so ein Ding. Es war weder unausweichlich (die Weisheit des Alters hat mich gelehrt, dass nur sehr, sehr wenige Dinge wirklich unausweichlich sind), noch hatten wir zu diesem Zeitpunkt so etwas wie eine übergeordnete Strategie! (Das hat sich mittlerweile natürlich geändert!) Aber gut!
Wir scheuten weder Kosten noch Mühen, um geeignete Büroräumlichkeiten für uns zu finden. Geeignet hieß in dem Fall „bezahlbar“. Somit endeten wir in einer ganz normalen Wohnung (Baujahr 1902, also viktorianisch), die wir zu einem Büro mit Schlafzimmer umfunktionierten, denn ich musste ja irgendwo schlafen, wenn ich vor Ort war. Somit hatte ich schon wieder ein Bett im Büro. Alles bestens!
Was ursprünglich als Akquiseplattform für den boomenden Londoner Markt dienen sollte, wurde mangels Zeit für Akquise zum reinen Produktionsstandort für unseren Standort in Deutschland. Dies bedeutete, dass der beachtliche finanzielle Overhead, den eine solche Dependance mit sich bringt, die ohnehin schmale Marge der Übersetzungen ins Englische komplett auffraß, und die Firma wurde folgerichtig nach zwei Jahren wieder geschlossen. Lesson learned!
Konsolidierung, Expansion und Bauchgefühle
Nachdem wir also unsere Geschäfte wieder im deutschen „Headquarter“ konsolidiert hatten, waren wir erst einmal eine Weile damit beschäftigt unsere Wunden zu lecken. Allerdings nicht sehr lange!
Zum Glück hielten uns unsere Kunden, Mitarbeiter und Servicepartner die Treue, sodass wir langsam aber stetig weiter wuchsen. Konkret machte sich dies in der Anzahl der angemieteten Räume bemerkbar. Waren es anfangs nur das Hauptbüro und das Nebenzimmer, so kamen dann schrittweise auf derselben Etage ein zusätzliches Büro und eine Küche dazu. Aber auch dies reichte bald nicht mehr und wir expandierten in die nächste Etage, die unser Vermieter glücklicherweise lange nicht vermietet hatte und dann aber für uns renovierte – zumindest teilweise. Während wir uns anfangs die oberen Räumlichkeiten noch mit unserem IT-Dienstleister teilten (heute ist er bei Leinhäuser angestellt und betreut weiterhin die IT), so wurden auch diese bald für unser wachsendes Team zu eng.
Nach intensiver Suche fanden wir neue Büroräumlichkeiten in Unterhaching, dem heutigen Standort in der Inselkammerstrasse. Anderer Standort, selbe Strategie. Von anfangs 180 m2 Fläche vergrößerten wir uns auch in Unterhaching schrittweise auf mittlerweile nahezu 1200 m2.
Als wir damals von unserem eher beschaulichen Standort in Sauerlach nach Unterhaching umzogen, wussten wir nicht genau, ob wir völlig größenwahnsinnig waren oder einfach nur weitsichtig. Wahrscheinlich nichts von beidem. Wir haben einfach nur mal wieder auf unseren Bauch gehört.
Und auch dort stand bald wieder der nächste Vergrößerungsschritt an. Der andere Mieter auf unserer Etage zog aus und über einen Durchbruch in der Wand wurden beide Büros miteinander verbunden. Wieder dachten wir: Au Mann, jetzt haben wir aber wirklich ein wenig übertrieben. Mitnichten!
Denn bald danach eröffnete uns unser erster und immer noch größter Kunde – einer der Siemens-Sprachendienste –, dass ihre Abteilung aufgrund einer Veräußerung der Muttergesellschaft einfach geschlossen werden sollte. Zunächst war das für uns ein Schock. Den Siemens-Kollegen ging es genauso. Viele von ihnen arbeiteten seit Jahrzehnten in dieser Abteilung. Und plötzlich sollte alles vorbei sein. Wir beschlossen, die wechselwilligen Kollegen (und einige ihrer Kunden) bei uns aufzunehmen.
Viele der Kunden waren ebenso überrascht wie wir. Wie kann man eine Abteilung, die seit den 50er Jahren besteht, einfach so mit 4-wöchiger Voranmeldung schließen. Einige Kunden waren zunächst aufgebracht und es bedurfte langer Gespräche, klarzumachen, dass wir nicht die Verursacher dieser Problematik waren. Für Leinhäuser bedeutete dieser Schritt das wahrscheinlich größte Risiko, das wir je eingegangen waren.
Wir verdoppelten über Nacht unsere Belegschaft in der Hoffnung, dass auch die Kunden mitziehen würden. Was aber, wenn nicht? Das hätten wir nicht lange überlebt. Unser Bauch hingegen sagte: Das wird schon! Wieder einmal hatte er Recht. Fairerweise muss man dazu sagen, dass Bauchgefühl alleine nicht gereicht hat, es war auch eine Menge Arbeit involviert und wir hatten natürlich auch ein wenig Glück. Erst kurz vor dem Zusammenschluss hatten wir die Räumlichkeiten vergrößert, unsere IT-Plattform erneuert und erweitert. Beides war – mal wieder – leicht überdimensioniert und verkraftete eine Verdoppelung der Belegschaft ganz locker.
Kurz vorher hatten wir umfirmiert und die Rechtsform gewechselt. Aus der Partnerschaftsgesellschaft Leinhäuser und Partner Fachübersetzungen wurde die Leinhäuser Language Services GmbH. So begann auch für Außenstehende sichtbar eine neue Ära.
Auf zu neuen Ufern
2013 war es dann für mich so weit. Mich zog es in die weite Welt hinaus. Ich wollte raus, vor allem raus aus der Komfortzone. Ich verkaufte meine Anteile an Leinhäuser Language Services und gründete eine neue Firma. Mit meiner frisch erworbenen Privatpilotenlizenz in der Tasche wollte ich Reiseführer für Privatpiloten erstellen und im Selbstverlag herausgeben.
Es entstanden zwei Bücher über das Fliegen in Florida und Kalifornien. Bei der Vermarktung wurde mir recht schnell klar, dass Pilotenshops und vor allem Amazon einen recht stattlichen Anteil an Marge für sich beanspruchen. Also musste ein eigener Webshop her. Damit begann für mich das Kapitel Online Marketing, genauer gesagt, Content Marketing, Google Ads und Suchmaschinenoptimierung, denn ohne Traffic nützt der beste Webshop nichts!
Je tiefer ich mich in die Materie einarbeitete, desto klarer wurde mir, dass Sprachkenntnisse auch im Online Marketing erforderlich sind, wenn man sich nicht nur auf einen einzigen Markt konzentrieren will. Und wer will das schon? Wie will man eine grundlegende Keyword Recherche durchführen, wenn man die Sprache im Zielmarkt nicht beherrscht? Geschweige denn Texte optimieren!?
Genau zum richtigen Zeitpunkt wurde die nächste Geschäftsidee geboren.
Ich sah meine Zukunft in der Suchmaschinenoptimierung, genauer gesagt der Internationalen Suchmaschinenoptimierung, kurz iSEO. Und so wurde iSEO.works aus der Taufe gehoben.
Die Geschäftsidee fand Anklang und gleich zu Beginn war es auch Leinhäuser, die mir ihr Vertrauen schenkten und das Potential der noch relativ jungen Dienstleistung erkannten. Jedoch nach einem Jahr im Home Office (lange vor Corona) fiel mir die Decke auf den Kopf, außerdem brauchte ich Platz für weitere Mitarbeiter.
Es traf sich gut, dass zu dieser Zeit meine Ex-Kollegen mal eben die Bürofläche verdoppelt hatten und somit Platz für mich und mein Team war. So wurde ich vom Geschäftsführer zum Untermieter und externen Partner. Viel wichtiger aber war, dass Leinhäuser direkten Zugriff auf mein Know-how bekam und ich wiederum direkt an extrem viel linguistischem Know-how teilhaben darf – eine klassische Win-Win-Situation.
Wie es jetzt die nächsten 25 Jahre weitergeht? Das wird sich zeigen, ein Bauchgefühl gibt es aber schon …
Udo Leinhäuser ist Co-Founder der Leinhäuser Language Services GmbH und war bis Ende 2012 geschäftsführender Gesellschafter. Seit seinem Ausscheiden aus dem Unternehmen und der Gründung von iSEO.works ist er Leinhäuser Language Services weiterhin eng verbunden und arbeitet seither als Spezialist für SEO und Internationale Suchmaschinenoptimierung mit lokalen und internationalen Kunden. In diesem Zusammenhang beschäftigt er sich sehr intensiv mit KI und ihrem Nutzen bzw. ihrer Wirkung auf die SEO.