Fachübersetzungen – alleine der Begriff klingt schon verstaubt und fast ein wenig nach Amtsdeutsch. „Fachübersetzungen“ – das klingt nach Blut, Schweiß und Tränen. Das klingt nach nachtaktiven Wesen, die in einsamen Nächten mit Fremdsprachen und schweren Themengebieten ringen. Es klingt nach dem Versuch, komplizierte Sachverhalte, mindestens ebenso kompliziert in einer anderen Sprache wiederzugeben. Soll ruhig jeder merken, dass der Text ganz schön schwer war!
Wer braucht so etwas heute noch? Heute werden Begriffe und Texte einfach in ein Fenster im Browser kopiert und in Bruchteilen von Sekunden steht der Text in der vorher ausgewählten Zielsprache vor einem. Wozu Blut, Schweiß und Tränen? Ist doch alles total easy! Und manchmal muss man sogar nur auf „Übersetzung anzeigen“ klicken und schwupp, schon erscheint auf wundersame Weise die Übersetzung.
Fachübersetzungen – ein Auslaufmodell?
Das Wunder nennt sich maschinelle Übersetzung und ist von einem Wunder so weit entfernt wie moderne Übersetzer von autistischen Kreaturen der Nacht. De facto laborieren ganzen Kohorten von Ingenieuren und Computerlinguisten seit Jahrzehnten daran, diesen Maschinen, die in Wirklichkeit keine Maschinen, sondern Software ist, den offensichtlich doch nicht ganz so trivialen Vorgang des Übersetzens beizubringen.
Aber wieso dauert das so lange??? Immerhin wurden erste Patente zum Thema Maschineller Übersetzung bereits in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts eingereicht und so richtig ernst fing man dann in den 50er Jahren damit an, Computern den Umgang mit Sprache beizubringen. In der Zwischenzeit ist die Menschheit zum Mond geflogen, hat Roboter erfunden, die Fußball spielen können und Smartphones entwickelt, die mehr Rechenleistung besitzen als bei besagter Mondlandung dem gesamten Team von Mission Control zur Verfügung stand. Und immer noch lesen sich viele maschinelle Übersetzungen als wären sie von einem mit Drogen gefütterten Fußball-Roboter in der Halbzeit angefertigt worden.
Der Grund hierfür liegt in der Komplexität und Vielschichtigkeit von Sprache – und die Rede ist hier lediglich von geschriebener Sprache. Das menschliche Gehirn ist von den ersten Tagen an die Komplexität unserer Sprache gewöhnt und analysiert sie völlig unbewusst und interpretiert sie dementsprechend.
Der Radius von Stephen Yeo als Marketing Director für Europa ist entsprechend groß. „Wir haben Büros in jedem europäischen Land, von Russland über die Türkei, die Nordischen Länder und UK bis hin zu Spanien“, so Yeo. „Sprache ist für uns ein wichtiger Faktor.“ In jedem europäischen Land sitzen Marketingmanager von Panasonic. Das Team, das Leinhäuser Language Services mit Übersetzungen versorgt, besteht aus etwa 70 Personen. Der von Stephen Yeo verantwortete Bereich hat ein Übersetzungsvolumen von 1,6 Millionen Wörtern im Jahr, die in zahlreiche europäische Sprachen zu übersetzen sind.
Computer hingegen können keinen Kontext analysieren. Das menschliche Hirn interpretiert aus dem jeweiligen Kontext heraus ob es sich bei einer Mutter um das Gegenstück einer Schraube oder um einen Elternteil handelt. Maschinen tun sich an dieser Stelle schwer.
Ebenso wenig wie Computer keinen Sinn für Kontext haben, haben sie auch keinen Sinn für Humor. Jeder, der schon einmal versucht hat, einem Freund einen Witz zu übersetzen, wird festgestellt haben, dass selbst der Mensch an dieser Stelle recht schnell an seine fremdsprachlichen Grenzen gerät. An dieser Stelle ist in hohem Maße Kreativität gefragt. Aber genau diese fehlt dem Computer ebenfalls. Zu allem Übel fehlt Computern auch völlig das Verständnis für kulturelle Gegebenheiten!
Wenn man jetzt noch in Betracht zieht, dass viele Texte im Original fehlerbehaftet sind, mit Doppeldeutigkeiten gespickt sind und vom Satzbau so überhaupt nicht darauf ausgelegt sind, von Algorithmen ausgelegt zu werden, wird einem schnell klar, dass wir sicherlich noch eine Weile auf das Wunder der perfekten maschinellen Übersetzung warten müssen. (Versuchen Sie doch mal den voranstehenden Satz maschinell übersetzen zu lassen!)
Alles für die Katz?
Waren also all die Anstrengungen der Computerlinguistik in den letzten Jahrzehnten für die Katz? Sicherlich nicht! Maschinelle Übersetzungssysteme haben mittlerweile einen gewissen Reifegrad erreicht, der es ermöglicht Dokumente in kürzester Zeit sehr ordentlich zu übersetzen. Und es gibt Anwendungsgebiete, in denen Zeit wesentlich wichtiger ist als Qualität. Und überhaupt, was heißt „Qualität“ eigentlich genau? Die Textmenge, die ein Humanübersetzer an einem Tag übersetzt, übersetzt der Computer in weniger als 5 Sekunden. Dies ist der Hauptgrund, weshalb Tsunami-Warnungen nicht von Menschenhand angefertigt werden, sondern von Maschinen. Und das ist gut so!
Die Tatsache, dass die gute alte Fachübersetzung in den letzten Jahren medial etwas in den Hintergrund getreten ist, liegt sicherlich zum einen an dem klassischen Paradoxon, dass eine Übersetzung erst dann gut ist, wenn man nicht merkt, dass es sich um eine Übersetzung handelt. Das war schon immer so. Hinzu kommt aber mittlerweile auch, dass sich die Branche grundlegend professionalisiert hat und aufgrund komplexer Qualitätsprozesse in der Lage ist, auch unter hohem Zeitdruck gleichbleibend hohe Qualität zu liefern. Die Fachübersetzung wird in einem Dienstleistungspaket geliefert, das dem Kunden einen deutlich höheren Mehrwert liefert.
Mit anderen Worten: Auch heute noch fließen Blut, Schweiß und Tränen im Ringen um die perfekte Übersetzung. Das Serviceportfolio moderner Übersetzungsunternehmen wurde jedoch zunehmend komplexer und im Fokus stehen mittlerweile nicht mehr die Fachübersetzung als einzelne Leistung, sondern vielmehr komplette Dienstleistungspakete, wie z.B. Transcreation, International SEO, Audio-/Video-Lokalisierung o.Ä. in deren DNA jedoch weiterhin die gute, alte Fachübersetzung fest verankert ist.
Über den Autor Udo Leinhäuser
Udo Leinhäuser ist Diplom-Übersetzer und als Experte für Online-Marketing und Suchmaschinenoptimierung für Leinhäuser Language Services tätig. Er war bis Ende 2012 geschäftsführender Gesellschafter des Übersetzungsunternehmens, das seither von Mitinhaberin Heike Leinhäuser geleitet wird. Udo Leinhäuser arbeitet als freier Berater in der Übersetzungsbranche für verschiedene Kunden. Nebenberuflich ist er sowohl Autor als auch Herausgeber von Reiseführern für Privatpiloten. E-Mail-Kontakt: ul@leinhaeuser.com.