Aktualisierte Fassung April 2024
In der Welt der Sprachdienstleistungen ist der Begriff Transcreation noch recht jung. Geboren wurde er in der Werbebranche. Von dort aus hat sich das Konzept der Transcreation in den letzten zehn Jahren immer weiter verbreitet.
Heute ist die Transcreation – hierzulande auch deutsch als Transkreation bekannt – in aller Munde. Doch was ist das eigentlich, was kann sie? Ist sie ein Muss, ein Trend, die Lösung für ein Problem oder schlicht ein Versuch, im Vergleich zur altbekannten Übersetzung höhere Preise zu erzielen?
Starten wir zunächst einen Versuch der Definition. Zusammengesetzt aus Translation und Creation beschreibt der Begriff den Prozess der „kreativen Übersetzung“ – doch nicht nur das: Es sind weitaus mehr Skills gefragt, denn es geht um die kulturelle Adaption von Texten unter Berücksichtigung des visuellen Kontexts, der Kernbotschaft und Markenidentität sowie des Zielmarktes und der Zielgruppe.
Transcreation – was kann sie leisten?
Sind es nun ausschließlich Werbe- und Marketinginhalte, die zu „transkreieren“ sind? Oder ist dieser Prozess auf jegliche Art Textelemente anzuwenden, die kulturelle und visuelle Bezüge oder Wortspiele beinhalten und beim Leser eine bestimmte Resonanz hervorrufen sollen?
Eine Presseinformation ist z. B. ein sehr kulturspezifisches Medieninstrument, das in unterschiedlichen Märkten auch unterschiedlich intoniert und gehandhabt wird. Eine reine Übersetzung führt zu einem Zieltext, der nur in den seltensten Fällen den lokalen Gepflogenheiten entsprechen und den Leser ansprechen wird.
Mithilfe der Transcreation sollen im ersten Schritt Botschaften und Inhalte ohne Brüche kommuniziert werden. Innerhalb des Medienkontexts – sei es eine Printanzeige, ein Billboard-Plakat, ein Radio- bzw. TV-Spot, Slogans oder auch eine Website – soll die Botschaft vom Publikum als Original wahrgenommen werden.
Die Zielgruppe darf nicht bemerken, dass der Content ursprünglich garnicht in seiner Sprache erstellt wurde. Bei der Kombination aus Text- und Bildinhalten gibt es keine Stolpersteine – die Botschaft trifft punktgenau und erzeugt die gewünschte Resonanz.
Jeder Marketingspezialist kennt die Herausforderungen, die mit der „Übersetzung“ oder gar einer „Wort für Wort Übersetzung“ der globalen Botschaft seiner Marke verknüpft sind.
Im Zuge der Internationalisierung ergibt sich ein Unterschied in der Bedeutung und Konnotation von Inhalten. Bilder wirken unterschiedlich und Farben lösen andere Emotionen aus.
Werden hier kulturelle, visuelle und linguistische Unterschiede außer Acht gelassen, läuft man Gefahr, dass ein Konzept nicht nur Resonanz und Wirkung bei der Zielgruppe verfehlt. Es besteht außerdem die Gefahr dass sie gänzlich andere Assoziationen hervorruft oder gar missverstanden wird.
Strukturierte Kreativität
Wie funktioniert Transcreation in der Marketing-Praxis? Welche Hilfsmittel und Fähigkeiten sind notwendig und nach welchem Workflow wird gearbeitet?
Der Projektleiter bzw. Account Manager des Sprachdienstleisters hält bei einem Übersetzungsauftrag die Fäden in der Hand – und das gilt auch für den Transcreation-Auftrag. Unsere Account Manager – jeder Einzelne ausgebildeter Linguist – müssen für ihre Tätigkeit ein breit gefächertes Skillset mitbringen.
Account Manager als Schnittstelle im Transcreation-Prozess
Der Account Manager fungiert als Bindeglied zwischen Kommunikations-/Marketingabteilungen und Produktion bzw. Post-Produktion auf der einen Seite sowie zwischen globalem Head Office und lokalen Niederlassungen sowie zwischen Freigabeinstanzen beim Kunden und Übersetzern bzw. Textern auf der anderen Seite.
Diese Aufgabe ist vielfältig und komplex: So muss der Account Manager seinen Kunden kompetent betreuen können, aber auch die Sicht- und Arbeitsweisen, Workflows und Bedürfnisse der einzelnen Projektbeteiligten genauestens kennen. Er muss verstehen, was der Kunde mit seinem Transcreation-Auftrag bezweckt und sozusagen mit in das Konzept der Marketing- und Markenbotschaft eintauchen. Nur so kann der Account Manager den Prozess der Lokalisierung richtig steuern.
Er lenkt die Übersetzer und Texter durch Kommunikation der richtigen Informationen und korrigiert ggf. die Richtung. Letzteres gilt auch für die Approver und Post-Produktion des Kunden.
Neben Erfahrung und Kompetenz spielen dabei auch Standardprozesse eine wichtige Rolle. Der Account Manager muss von Beginn an die richtigen Informationen beim Kunden abfragen und wissen, worauf zu achten ist.
Abgesehen von grundsätzlichen Fragen zur Kernbotschaft, Zielgruppe und zum Zielmarkt (vs. Zielsprache) muss sich der Account Manager das vorliegende Konstrukt aus Bild und Text genau ansehen, um kulturelle und linguistische Stolperfallen idealerweise bereits vor der Vervielfältigung in die einzelnen Sprachen zu identifizieren.
Geben Sie ein gutes Bild ab!
Eine Hotelkette, die mit dem Foto eines fein gedeckten Tischs wirbt, wird in Israel nicht mit der gewünschten Resonanz rechnen können, wenn auf dem Tisch ein Teller mit nicht koscheren Shrimps platziert ist.
In einem solchen Fall ist es ratsam, den Bildkontext vor der Lokalisierung anzupassen. Auch muss der Account Manager im Zuge der Vorbereitung erfragen, welche Bezüge unter Umständen geopfert werden können, welche kreativen Alternativrouten eine Option darstellen und bestimmen, ob besser weibliche oder männliche Akteure bei der Transcreation zum Einsatz kommen sollten. Denn je nach beworbenem Produkt ist diese Entscheidung nicht ohne Belang.
Zu keinem Zeitpunkt im Prozess darf das Endprodukt aus den Augen verloren werden. Es ist wichtig, ob der Content in einem Artikel, einer Printanzeige, einem Website-Banner, einem Werbespot oder als Claim medienübergreifend verwendet wird, wo er eventuell in verschiedene Bild- und Textzusammenhänge integriert wird.
Der Account Manager muss die spezifischen Herausforderungen des jeweiligen Zielmediums und Zwecks genau kennen. Er muss wissen, wie gesprochene Sprache für einen Werbespot lokalisiert wird und auf welche technischen Gegebenheiten bei einem Banner zu achten ist.
Ohne Briefing geht nichts!
Diese Informationen muss der Account Manager dann in Form eines Briefings so bündeln, strukturieren und kommunizieren, dass alle Projektbeteiligten – angefangen beim Übersetzer bzw. Texter über die Approver bis hin zur Post-Produktion – denselben Wissensstand haben und den Content unter denselben Voraussetzungen sichten und bearbeiten.
Im Anschluss an das Briefing sollte eine Bearbeitungsschablone aufgesetzt werden, die Bild und Text übersichtlich darstellt und die Übersetzer schon durch Formatvorgaben in die richtige Richtung lenkt. Das heißt, der Texter sollte in der Datei auf einen Blick erkennen können, was gefragt ist und worauf es ankommt.
Handelt es sich beispielsweise um ein Projekt, das auf zentraler Ebene freigegeben wird, muss jeder „Übersetzungsvorschlag“, also jede Adaption eine wörtliche Übersetzung zurück in die auf dieser Unternehmensebene gesprochene Sprache enthalten.
Erklärungen, die jede Adaption detailliert begründen, sind obligatorisch. Diese Begründungen müssen zum einen erläutern, weshalb eine bestimmte wörtliche Übersetzung, ein Bild oder eine Farbe nicht funktioniert – zum Beispiel, wenn diese ungewünschte Konnotationen weckt – und zum anderen die Assoziationen und Bedeutung der gewählten Adaption schlüssig erklären.
Alle Freigabeinstanzen sollten die präsentierten Adaptionen auf Anhieb nachvollziehen und einschätzen können.
Aufgabe der internen Qualitätssicherung ist es, zu prüfen und sicherzustellen, dass nicht nur die Adaptionen korrekt und relevant sind, sondern dass auch Rückübersetzungen und Begründungen sauber und aussagekräftig sind.
Während des Freigabeprozesses, der – anders als in einer klassischen Übersetzung – in der Transcreation nicht selten mehrere Überarbeitungsrunden umfasst, muss der Sprachdienstleister das Feedback mithilfe der Texter so umsetzen, dass das zugrundeliegende Briefing und das Zielmedium nicht aus dem Blickfeld geraten.
Manche Approver vergessen zum Beispiel, dass es um gesprochene Sprache für einen 30-sekündigen Werbefilm geht und schreiben den Content so um, dass er zu holprig und lang wird und im Marketing-Kontext nicht mehr funktioniert.
Markenimage – bitte konsistent
Die jeweilige globale Markenidentität und Kampagnenbotschaft ist die Richtschnur für eine kongruente Umsetzung einer Transcreation in allen gewünschten Sprachen.
Warum entscheiden sich Endkunden oder Werbeagenturen für die Lokalisierung einer globalen Kampagne durch einen zentralen Dienstleister, anstatt einzelne lokale Kampagnen entwickeln oder vor Ort bei den Agenturniederlassungen anpassen zu lassen?
Zum einen wünscht das globale Head Office mehr Effizienz und Transparenz hinsichtlich lokaler Kosten und Inhalte. Und zum anderen stehen ein marktübergreifend stimmiges Look & Feel und ein einheitlicher Markenauftritt rund um den Globus im Fokus. J
e einheitlicher sich eine Kampagne, eine Marke präsentiert, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit einer dauerhaften Resonanz bei den Konsumenten.
Fazit
Transcreation ist ein sehr komplexer und umfassender Lokalisierungsprozess, bei dem der Dienstleister als zentraler Brückenkopf dafür sorgt, dass alle notwendigen Informationen eingeholt und über alle Beteiligten hinweg kommuniziert und beachtet werden.
Dabei sind Kreativität und Kulturaffinität sowie Projekt- und Prozessmanagementfähigkeiten gleichermaßen von Bedeutung.
Transcreation sollte sich als Teil in eine Leistungsfamilie einfügen, die weitere Anforderungen der Marketinglokalisierung abdeckt. Nur so kann man sich als echte Beratungsinstanz etablieren und seinen Kunden in allen linguistischen und kulturellen Fragen unterstützen.
Der Dienstleister schafft einen ganz entscheidenden Mehrwert, indem er potenzielle Lokalisierungsprobleme frühzeitig erkennt und Möglichkeiten aufzeigt, wie diese umschifft werden könnten.
Verbundene Mehrwertleistungen sind beispielsweise Cross-Cultural-Checks, Cultural Insight, Name-Checks u. a.
Jeder Sprachdienstleister, der zusätzlich oder alternativ zur Übersetzung Transcreation in sein Portfolio aufnehmen möchte, muss eine auf das Endprodukt ausgerichtete Kultur fördern, die alle an einem Lokalisierungsprozess Beteiligten miteinbezieht und die Übersetzung nicht als entkoppeltes, rein auf die Sprache konzentriertes Produkt sieht.
Voraussetzungen sind ein starkes Talent-Network, kommunikationsstarke Projektleiter, Empathie und Feingefühl. Denn um einen Transcreation-Prozess effektiv steuern zu können, muss man viele Fragen stellen, was mancher Kunde aus gewohnten Übersetzungsprojekten nicht von seinem Sprachdienstleister kennt.
Transcreation folgt einem klar abgesteckten Workflow und Ziel. Der Kunde soll ein Produkt erhalten, das sich deutlich von den anderen Leistungen abgrenzt. Der Kunde muss verstehen, mit welchem Ergebnis er formell und inhaltlich rechnen kann.
Transcreation ist weder ein Allheilmittel für die üblichen Geschmacksdifferenzen bei Textfragen, noch ist sie ein vergänglicher Trend.
Transcreation ist die Möglichkeit, durch die zentrale Steuerung komplexer Prozesse die Botschaft eines Kunden erfolgreich in seine Märkten zu transportieren, ohne den Umweg über lokale Marketingagenturen nehmen und große Teile einer globalen Kampagne nachschärfen oder gar verwerfen zu müssen. Wir als Dienstleister schlagen für den Kunden mit unserem internen Team und dem externen Talent-Netzwerk eine natürliche Brücke in die Märkte der Welt.
* Lokalisierung bezeichnet in der Softwareentwicklung die Anpassung von Inhalten an die in einem bestimmten geographisch oder ethnisch umschriebenen Absatz- oder Nutzungsgebiet vorherrschenden lokalen sprachlichen und kulturellen Gegebenheiten.
(Quelle: Wikipedia)
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