Machine Translation und künstliche Intelligenz – zwei bahnbrechende Technologien, die die Sprachenbranche gleichermaßen fasziniert wie in den Wahnsinn treibt. Als Linguist mit jahrzehntelanger Erfahrung stelle ich mich immer wieder der Herausforderung, die Texte dieser unglaublichen, aber manchmal auch unverständlichen Maschinen zu entwirren und zu korrigieren.
Editing maschineller Übersetzungen
Der ein oder andere maschinell übersetzte Text mutet eher wie surrealistische Dichtkunst an, und gelegentlich schmunzelt man über die skurrilen Wendungen der Maschine.
Dennoch ist ihr linguistisches Können beeindruckend. Denn die Ergebnisse, die neuronale Netze, Deep Learning und künstliche Intelligenz produzieren, sind teilweise erstaunlich akkurat.
Nach einer Reihe perfekt übersetzter Absätze verzweifeln sie jedoch an einfachen Wortspielen oder kulturellem Kontext. Siehe da: Wir werden noch gebraucht.
Es ist, als kommunizierten wir mit einem hochbegabten, manchmal etwas verwirrten Außerirdischen – oder eben einem Computer, der die Feinheiten unserer Sprache noch nicht ganz durchschaut hat.
Editing KI-generierten Texten
Und dann sind da noch KI-Programme, die einen Text in Sekundenschnelle generieren. Als ich ChatGPT zum ersten Mal ausprobierte, dachte ich:
“Das war’s. Wir (Menschen) können einpacken.”
Doch je mehr man generiert, desto mehr formt sich der zunächst einzigartige Stil zum Muster: Der Inhalt ändert sich, das Gerüst bleibt dasselbe. Ja, man kann die Prompts optimieren, aber der Output ist dennoch recht seelenlos.
Unterschiede im Editing
Für beide Tools gilt: Man sollte die erstellten Texte keinesfalls unbesehen verwenden. Überarbeitungen sind unabdingbar, denn auch Computer Science ist nicht unfehlbar.
Die Überarbeitung maschineller Übersetzung – traditionell „Post Editing“ – unterscheidet sich teilweise vom Editing KI-generierter Texte:
Kriterien | Post-Editing von maschinell übersetzten Texten | Editing von KI-erstellten Texten |
Ziel | Verbesserung der Übersetzungsqualität und Anpassung an den Kontext | Verbesserung der Textqualität, Kohärenz und Relevanz |
Typische Herausforderungen | Falsche Terminologie, fehlende Nuancen, grammatische Fehler, Stil- und Abweichungen von der geforderten Tonalität | Mangelnde Präzision, mögliche Redundanzen, logische Inkonsistenzen, Stil- und Abweichungen von der geforderten Tonalität |
Automatisierungsgrad | Hoch: Maschinelle Übersetzung kann große Mengen an Text schnell verarbeiten | Variiert: Je nach Qualität der KI-Ausgabe kann der Bearbeitungsaufwand stark variieren |
Qualifikationen des Editors | Kenntnisse in beiden Sprachen, Übersetzungs- und Editingausbildung, kulturelles Verständnis | Starke redaktionelle Fähigkeiten, Fachkenntnisse im Kontext des Textes, Fähigkeit, das Publikum zu verstehen |
Menschliche Beteiligung | Notwendig, um maschinelle Fehler zu korrigieren und den Text zu verfeinern | Notwendig, um KI-generierte Texte zu prüfen, zu verfeinern und auf Genauigkeit zu überprüfen |
Verwendungszweck | Übersetzung von Dokumenten, Websites, Software, technischen Anleitungen usw. | Erstellen von Inhalten für Blogs, Artikel, Produktbeschreibungen, Social Media-Posts usw. |
Notwendigkeit von Kontextverständnis | Hoch: Kontext ist wichtig für genaue Übersetzungen | Hoch: Kontext ist wichtig für relevante und kohärente Inhalte |
Geschwindigkeit und Kosten | Schneller und kostengünstiger als vollständige menschliche Übersetzung, aber Qualität kann variieren | Kann schneller und kostengünstiger sein als vollständig menschlich geschriebene Texte, aber Qualität und Relevanz können variieren |
Einfluss von technologischen Entwicklungen | Fortschritte in der maschinellen Übersetzung (z.B. neuronale Netzwerke) verbessern die Ausgangsqualität | Fortschritte in der KI-Textgenerierung (z.B. GPT-4) verbessern die Ausgangsqualität |
Ist Editing von Text das neue Übersetzen oder Copywriting?
Unsere linguistischen und textgestalterischen Fähigkeiten sind weiterhin gefragt. Wortspiele, kulturelle Nuancen, Ironie und subtile Unterschiede zwischen Synonymen erfordern menschliches Verständnis und Fingerspitzengefühl, das reine Daten bisher nicht ersetzen können.
In gewisser Weise ist Editing tatsächlich das neue Übersetzen oder Copywriting. Unsere Rollen verändern sich, um mit den technologischen Fortschritten mitzuhalten. Und währenddessen können wir noch über die Fehltritte unserer maschinellen Computer-Kollegen lachen – denn welches Publikum wäre perfekter für einen guten Sprachwitz?
Werden wir wirklich nur noch fürs Editieren gebraucht?
Bestimmte Textgattungen (geschrieben oder auch in Film oder Video) lassen sich noch nicht maschinell übersetzen oder generieren:
Poesie voller subtiler Metaphern und kultureller Nuancen stellt selbst ausgeklügeltste Maschinen vor Herausforderungen, Beispielsätze gibt es viele.
Für ‚Schnee, der auf Zedern fällt‘ greift ein Übersetzungsprogramm auf meteorologische Daten und Beispiele zurück – und übersieht dabei die vom Autor beabsichtigte emotionale Tiefe.
Auch humorvolle Texte sind kritisch. Während KIs uns oft ungewollt zum Lachen bringen, sind sie bemerkenswert unfähig, Humor absichtlich zu erzeugen.
Ein (Wort-)Witz, der auf Deutsch funktioniert, kann in der Englisch-Version flach fallen – Gleiches gilt für verschiedene Kulturen.
Und: KIs sind zwar wie ein Wörterbuch mit Unmengen Informationen und Quellen gefüttert und können viel Content erzeugen, aber nicht fühlen. Wir begegnen einem emotionsgeladenen Text über Trauer, Liebe oder Freude mit menschlicher Empathie, die einer Maschine fehlt.
Achtung Gefahr
Andernorts können Fehler nicht nur peinlich, sondern auch gefährlich sein.
Stellen Sie sich vor, ein maschinelles Übersetzungsprogramm verwandelt ‚einmal täglich‘ in ‚einmal wöchentlich‘ auf einem Medikamentenetikett.
Ebenso könnte der Inhalt eines von einer KI generierten Geschäftsberichts oder einer Finanzanalyse wichtige Details auslassen oder falsch interpretieren; ein maschinell übersetzter Vertrag könnte juristische Nuancen verfehlen, die zu kostspieligen rechtlichen Problemen führen.
Fehlende oder fehlerhafte Sätze und Wörter haben das Potential, einen Rattenschwanz hinter sich herzuziehen. Für solche Dokumente ist die menschliche Überprüfung und Bearbeitung absolut notwendig. Trotz aller technologischer Fortschritte sind unsere Fähigkeiten und unser Wissen in derartigen Bereichen noch unerlässlich.
Lassen Sie uns auch nicht den Vertraulichkeitsaspekt vergessen! Das Need-to-know-Prinzip macht vor der Maschine nicht halt. Will man nicht Patentgeheimnisse oder Geschäftszahlen vor der Veröffentlichung preisgeben, gilt: Keep it human.
Während wir also von den Fähigkeiten und Fehltritten unserer maschinellen Kollegen ebenso amüsiert wie fasziniert sind, gibt es immer noch viele Textarten, denen sie nicht gewachsen sind und die entsprechend einen hohen Edit-Aufwand erfordern.
Ein Wandel in der Sprachen- und Übersetzungsbranche lässt sich nicht abwenden. Wir Übersetzerinnen und Übersetzer sind jedoch nicht die Einzigen, die sich an neue Technologien anpassen und sie sich zunutze machen müssen.
Bislang ist es uns noch immer gelungen, uns neuen Technologien anzupassen und ihnen unseren Human Touch zu geben, der unser Können und unsere Begabung einzigartig macht.
Udo Leinhäuser ist Co-Founder der Leinhäuser Language Services GmbH und war bis Ende 2012 geschäftsführender Gesellschafter. Seit seinem Ausscheiden aus dem Unternehmen und der Gründung von iSEO.works ist er Leinhäuser Language Services weiterhin eng verbunden und arbeitet seither als Spezialist für SEO und Internationale Suchmaschinenoptimierung mit lokalen und internationalen Kunden. In diesem Zusammenhang beschäftigt er sich sehr intensiv mit KI und ihrem Nutzen bzw. ihrer Wirkung auf die SEO.