Die mitleidigen Blicke werde ich nie vergessen. Die Kommentare auch nicht. Aufmunternde Worte wie „Da hast du ja was vor dir!“, „Das machst du ohne externen Berater???“ oder „Das schafft ihr doch nie im ersten Anlauf!“ bekam ich regelmäßig zu hören, wenn ich jemandem von meinem neuen Projekt erzählte: Ein Qualitätsmanagementsystem nach ISO 9001!
Da hast du ja was vor dir!
Um ehrlich zu sein – hätte ich genauer gewusst, was auf mich zukommt, hätte ich vielleicht nicht ganz so bereitwillig zugegriffen, als wir in der Geschäftsleitung beschlossen, die Zertifizierung in Angriff zu nehmen. Aber die Aufgabe passte einfach zu gut zu den Themen, die ich sonst betreue: Schließlich begleite ich nicht nur die alljährlichen Auditierungen nach der internationalen Qualitätsnorm für Übersetzungsdienstleister, ISO 17100, sondern bin auch die hauseigene Compliance-Beauftragte und die „Ankerfrau“ für unsere Informationssicherheits- und Datenschutzbeauftragten.
Das machst du ohne externen Berater???
Ein Grundverständnis für Prozesse, Kennzahlen, Risikobetrachtungen und Audits war also vorhanden, ebenso diverse Vorlagen für die Dokumentation und natürlich die genaue Kenntnis unserer Organisation. Daher haben wir uns bewusst für das Wagnis entschieden, den Aufbau des QM-Systems nur mit eigenem Know-how und ohne externe Beratung umzusetzen.
Rückblickend hat sich dieser Ansatz als goldrichtig erwiesen, denn viele Anforderungen der ISO 9001 wurden bereits gelebt, viele Abläufe und Dokumente waren schon vorhanden, sie mussten „nur noch“ strukturiert und normgerecht aufbereitet werden.
Und so bestand meine Aufgabe nach dem Einlesen in die Norm zunächst darin, auf die Ressorts und Teams zuzugehen und Material zu sammeln. Neben den Beschreibungen und Verfahrensanweisungen für die Kernprozesse, die bereits im Rahmen der ISO 17100 etabliert waren, wurde mir ein wahrer Schatz an Strategiepapieren, Arbeitsdokumenten und Trainingsunterlagen präsentiert, die oft fast unverändert in die Normdokumentation übernommen werden konnten. Auch manch vergessenes Juwel kam so zum Vorschein und wird nun, leicht aufpoliert, wieder eingesetzt.
Da sich die ISO 9001, anders als die ISO 17100, nicht nur auf die Dienstleistung Übersetzen fokussiert, sondern das ganze Unternehmen in den Blick nimmt, betraf diese Materialsammlung neben den operativen Einheiten auch unsere übrigen Managementsysteme wie Informationssicherheit und Compliance. Und da es in all diesen Systemen Kennzahlen, Risikobewertungen und Maßnahmenkataloge gibt, lag es nahe, die jeweiligen Dokumente zusammenzuführen und ein echtes integriertes Managementsystem zu schaffen – mit greifbaren Vorteilen für die Verwaltung und Pflege.
Einige Dokumente mussten aber auch neu erstellt, Abläufe neu definiert werden. Dies geschah in enger Abstimmung mit den jeweiligen Ressorts und der Geschäftsführung. Neuerungen wurden ebenso wie unsere Fortschritte beim Aufbau des Managementsystems regelmäßig im Unternehmen kommuniziert. Ein gutes Forum dafür war unser wöchentliches Townhall-Meeting, in dem wir alle paar Wochen über den Stand der Dinge berichtet und Fragen beantwortet haben. So wusste jeder Bescheid und die neuen Entwicklungen wurden von den Kolleginnen und Kollegen gut angenommen.
Das schafft ihr doch nie im ersten Anlauf!
Ja, und dann rückte der Audittermin immer näher. Trotz aller Planung wurde die Zeit am Ende knapp, die letzten Wochen vor dem großen Termin waren eng getaktet mit finalen Abstimmungsmeetings, internen Audits und Managementbewertungen. Hier fehlte noch eine Information, dort eine aktuelle Auswertung, doch die Kolleginnen und Kollegen versorgten mich zuverlässig mit allem, was ich noch mal eben schnell brauchte.
Ende Februar war es dann so weit: Die Dokumente hatten die erste Dokumentationsbewertung durchlaufen, die Auditteilnehmer waren gebrieft, noch ein letzter Technik-Check für die Zuschaltung der auswärtigen Kollegen aus dem Homeoffice – das Audit konnte kommen.
Mit einer Mischung aus Respekt, Neugier, aber auch Vorfreude darauf, unser runderneuertes QM-System zu präsentieren, gingen wir in den ersten von drei Audittagen. Die anfängliche Anspannung wich schon bald einer lockeren Gesprächsatmosphäre, und am Ende ging alles reibungslos über die Bühne: Die Mitwirkenden legten einen glänzenden Auftritt hin, alle hatten ihre Themen im Griff, und nicht zuletzt die Auditorin sorgte mit ihrer ruhigen und wohlwollenden Art für eine derart angenehme Atmosphäre, dass wir gar nicht anders konnten als die Zertifizierung im ersten Anlauf zu erreichen.
Die Freude war groß und der Erfolg wurde in der zum „Schampus-Stüberl“ umfunktionierten Lounge ausgiebig gefeiert.
Und wozu das Ganze?
Manchmal werde ich gefragt, was wir eigentlich mit der Zertifizierung erreichen wollten, schließlich sind wir schon seit Jahren nach einer Qualitätsnorm, der ISO 17100, zertifiziert. Uns war es jedoch wichtig, mit unserer Normenlandschaft nicht nur den hoch spezialisierten, aber auf die Übersetzungsleistung beschränkten Fokus der ISO 17100 abzubilden, sondern auch die interdisziplinäre Ausrichtung unseres Leistungsangebots, den ganzheitlichen Servicegedanken und die konsequente Kundenorientierung, die unser Unternehmen ausmachen. Mit der ISO 9001 werden wir den Anforderungen unseres Marktumfelds besser gerecht – und wir konnten zugleich den „Leinhäuser Spirit“ ein Stück greifbarer machen.
Die Zertifizierung war also kein Selbstzweck. Wir haben die Gelegenheit genutzt, bestehende Abläufe zu hinterfragen, zu verbessern und mit einem frischen Blick auf das gesamte Unternehmen zu schauen. Wir verstehen die ISO 9001 als Werkzeug zur Weiterentwicklung und als perfekte Ergänzung zu unseren anderen Labels und Managementsystemen:
- Qualitätsmanagement nach ISO 9001 und dem Branchenstandard ISO 17100
- Informationssicherheit nach TISAX (Information Security Assessment nach den Richtlinien des Verbandes der Automobilindustrie)
- Datenschutz nach DSGVO
- Compliance Management mit seinen Herzstücken Code of Conduct und internen Richtlinien, die alle relevanten Themen von Antidiskriminierung über Korruptionsprävention bis Unternehmensethik regeln
Engagement für Nachhaltigkeit bei EcoVadis (zum zweiten Mal Silver Status im Nachhaltigkeitsrating 2025) und als Teilnehmer im UN Global Compact (Abgabe eines jährlichen Fortschrittsberichts, COP)
Hat sich die Mühe gelohnt?
Die Antwort lautet definitiv: Ja. Es war eine tolle Erfahrung, Einblick in alle Ressorts zu nehmen, zu sehen, was für ein enormer Schatz an Wissen und Ideen bereits vorhanden war, und diese geordnet zusammenzuführen und zu verlinken. Den Rückhalt in den Teams zu spüren, die mich geduldig mit Infos und Dokumenten versorgt und gemeinsam mit mir an Prozessen gefeilt haben, die mit großem Engagement an Schulungen und Briefings teilgenommen und die Audittage mit Bravour gemeistert haben. Eine Erfahrung, von der wir lange profitieren werden und auf die wir alle stolz sein können!
FAQs
Was ist die DIN EN ISO 9001?
Die DIN EN ISO 9001 ist eine weltweit anerkannte Norm für Qualitätsmanagementsysteme. Sie legt Anforderungen an Unternehmen fest, um Prozesse zu optimieren, Kundenzufriedenheit zu erhöhen und kontinuierliche Verbesserung sicherzustellen.
Was sind zentrale Elemente der DIN EN ISO 9001?
Die DIN EN ISO 9001 basiert auf QM-Prinzipien wie Kundenorientierung, einem prozessorientierten Ansatz und risikobasiertem Denken. Sie ist nach der High Level Structure aufgebaut, die den PDCA-Zyklus (Plan – Do – Check – Act) widerspiegelt und insbesondere die Verantwortung des Top-Managements, den Kontext der Organisation sowie die Betrachtung von Risiken und Chancen hervorhebt.
Warum ist eine Zertifizierung nach DIN EN ISO 9001 sinnvoll?
Eine Zertifizierung nach DIN EN ISO 9001 zeigt, dass ein Unternehmen systematisch und qualitätsbewusst arbeitet. Sie stärkt das Vertrauen von Kunden und Partnern, steigert die Wettbewerbsfähigkeit und schafft klare Strukturen und Verantwortlichkeiten innerhalb des Unternehmens.
Wie läuft eine Zertifizierung nach DIN EN ISO 9001 ab?
Der Weg zur Zertifizierung umfasst die Einführung eines Qualitätsmanagementsystems (QMS), interne Audits, eine Managementbewertung und schließlich ein externes Zertifizierungsaudit durch eine akkreditierte Stelle.
Was ist der Unterschied zwischen DIN EN ISO 9001 und DIN EN ISO 17100?
Die DIN EN ISO 9001 ist branchenübergreifend und auf das gesamte Unternehmen ausgerichtet, während sich die DIN EN ISO 17100 speziell auf Übersetzungsdienstleistungen konzentriert. Eine Kombination beider Normen ermöglicht ein ganzheitliches Qualitätsmanagement.
Welche Vorteile bringt ein integriertes Managementsystem?
Ein integriertes System bündelt Dokumentationen, Prozesse und Audits aus verschiedenen Bereichen (z. B. Qualität, Informationssicherheit, Datenschutz), reduziert Doppelarbeit und schafft mehr Übersicht und Effizienz im Unternehmen.
Claudia Link-Beier
Claudia Link-Beier war lange Jahre Inhaberin und Geschäftsführerin der Übersetzungsdienst Macklin GmbH und ist daher mit allen Facetten eines Sprachdienstleisters vertraut. Nach der Verschmelzung ihres Unternehmens mit Leinhäuser Anfang 2019 konzentrierte sie sich zunächst auf das operative Geschäft und die interdisziplinären Studio-Teams. Seit 2021 treibt sie wichtige Themen wie Compliance, Datenschutz und Informationssicherheit, Qualitätssicherung, Nachhaltigkeit und Training voran.